Rückblick
Das zweite Quartal war äusserst turbulent. Anfänglich reagierte die Börse auf die Ankündigung von US Präsident Trump mit seinen „reziproken“ Zöllen. Der Rücksetzer wurde aber mehr als korrigiert und die US Börse erreichte trotz neuen Eskalationsstufen im Israel-Iran-Konflikt neue Höchststände:
Der DAX liegt seit Jahresanfang um stolze +20% höher, der S&P500 hat nach zwischenzeitlichen Verlusten von -15% seit Jahresanfang nun ein Plus von +6% erreicht. Etwas gedämpfter zeigte sich mit gut +3% der SMI. Zu erwähnen gilt allerdings, dass der USD gegenüber dem CHF und EUR mit etwa -12% doch recht stark verlor.
Der starke Lauf von Gold ging weiter. Erst in den letzten Wochen ging es in einen Seitwärtstrend über. Seit Jahresanfang gibt es aktuell ein Plus von +26% in USD.
An der Inflationsfront gab es Daten für jedermann: Einerseits stieg die US Kerninflation bereits wieder leicht an (noch bevor die FED ihr Ziel von 2% Jahresteuerung erreicht hätte), andererseits scheinen die höheren Zölle (noch?) nicht allzu stark auf die Preise durchzudrücken.
Conundrum Finanzmärkte
Die Zukunft der Finanzmärkte konstant richtig zu prognostizieren, ist bekanntlich aussichtslos. Mit einer Trefferquote von 55/60% ist man wohl bereits bei den Besten des Fachs mit dabei. Etwas einfacher ist in der Regel, die Reaktion der Finanzmärkte im Nachhinein auf bereits erfolgte Ereignisse zu interpretieren. Doch selbst dies ist in den aktuellen Zeiten eine grössere Herausforderung.
Üblicherweise führen höhere Unsicherheiten oder auch höhere Zölle zu tieferen Aktienkursen. Aktuell scheint aber das Gegenteil zu stimmen. Nehmen wir drei Beispiele der kürzeren Vergangenheit:
- Anfang April gab Trump die obgenannten „reziproken“ Zölle bekannt. Zwar wurden die angedrohten extrem hohen Zölle anschliessend um 90 Tage ausgesetzt (mehr dazu unten), doch weder ist das Problem aktuell gelöst, noch ist das aktuelle Basisszenario von 10% Zöllen besser als vorher, im Gegenteil. Die US Börse steht hingegen höher als Anfang April.
- Vor drei Wochen eskalierte die Situation im Nahen Osten, Israel griff Iran an und der Iran schlug zurück. Die US Börse stieg relativ unbeeindruckt weiter an.
- Vor einer Woche nun griff die USA in den Konflikt direkt ein und bombardierte den Iran. Reaktion der US Börse? Sie hat weitere +4% zugelegt.
Zölle
Aktuell sind die exorbitanten Zölle bis zum 9. Juli ausgesetzt. Es wird damit gerechnet, dass Trump keine weitere Eskalation mehr sucht, aber dass eine Art Mindestzoll von 10% zur Anwendung kommen wird. Einzelne Länder (China, Mexiko, Kanada, …) und Güter (Stahl, Aluminium, Autos, Halbleiter, …) werden zudem mit höheren Zöllen belastet. Untenstehende Grafik zeigt auf, dass die Erwartung von knapp 20% im Schnitt ausging nach der Ankündigung von Trump im April (so hohe Zölle gab es letztmals während des zweiten Weltkriegs). Mittlerweile sind die Erwartungen tiefer, aber selbst 10% wären eine massive Verschlechterung:
Warum eine Verschlechterung? Zölle wirken im weiteren Sinne wie eine Steuer. Der Staat nimmt anderen Wirtschaftsakteuren Geld weg (und kann damit einen kleinen Teil seines Defizits finanzieren, das ist aber ein Thema für einen anderen Finanzmarktbericht), der Importeur oder der Verbraucher müssen für die Rechnung aufkommen. Es resultieren geringere Gewinne bei den Importeuren und/oder höhere Verbraucherpreise und damit höhere Inflation, beides ist nicht gut für die Aktienmärkte. Des Weiteren kommen indirekte Effekte hinzu. Das Volumen des Handels nimmt wegen der höheren Zölle ab.
Ausblick
Folgende Einschätzung aus einem Blog zu den US-Börsen, deckt sich relativ gut mit der unsrigen:
Der israelische/iranische Konflikt ist ein weiterer in einer langen Liste von Unsicherheiten, mit denen die Anleger konfrontiert sind. Mit einem Ausgangspunkt der Bewertung von 22,5-fachem Kurs-Gewinn-Verhältnis unterschätzen die Anleger das Risiko:
- Wir stehen vor den höchsten geopolitischen Risiken seit vielen Jahrzehnten (die nicht schnell gelöst werden).
- Wir sind dem größten sozialen und politischen Risiko in den USA ausgesetzt seit dem Vietnamkrieg.
- Wir stehen vor der größten Chance auf eine „Slugflation“ (verlangsamendes Wirtschaftswachstum und klebrige Inflation) seit den 1970er Jahren.
- Wir stehen vor der größten Bedrohung in der modernen Geschichte, dass der US-Dollar und der Kapitalmärkte kein „sicherer Hafen“ mehr sein werden.
- Wir stehen vor der größten Schuldenbelastung und Defizit aller Zeiten – und keine Partei scheint irgendwelche fiskalische Disziplin zu bevorzugen.
- Wir stehen vor den größten Kapitalausgaben in der Geschichte (über künstliche Intelligenz), obwohl die Rendite dieser Investition wenig sicher ist.
- Wir sind einer praktikablen Alternative zu Aktien im festen Einkommen ausgesetzt (zum ersten Mal seit 15 Jahren), Anleihen weisen eine ähnliche erwartete Rendite wie Aktien auf, aber mit begrenztem Risiko und Volatilität.
Fazit: Wir bleiben bei den Aktien untergewichtet und bevorzugen defensive oder sehr günstige Sektoren.
« Wenn die Musik aufhört, werden die Dinge in Bezug auf die Liquidität kompliziert. Aber solange die Musik läuft, muss man aufstehen und tanzen. Wir tanzen immer noch.»
Citigroup CEO Chuck Prince, umittelbar vor dem Start der Finanzkrise