Finanzmarktbericht Q2 2022

Rückblick auf schwierige Zeiten

Der Rückgang der Aktien- und v.a. auch der Obligationenmärkte hat sich im 2. Quartal akzentuiert:

SMI vs DAX vs SP500

Die Kursrückgänge sind mittlerweile substanziell. Dennoch sind die Bewertungen des US Aktien-markts (Aktienpreise versus Realwirtschaft) bei weitem nicht günstig, sie sind erst von extrem teuer auf teuer zurückgegangen:

SP500 vs Earnings vs GDP

Aussergewöhnlich in diesem Jahr ist jedoch der starke Rückgang der Obligationenpreise. Viele Obligationen haben aufgrund des relativ starken Zinsanstieges in ähnlichem Umfang wie die Aktien Kursverluste erlitten, das ist doch sehr selten. Haben die Aktienmärkte im Schnitt wie in der Grafik sichtbar -17 bis -20% verloren, so liegen die Kursverluste bei Obligationen durchaus bei -10 bis -15%. Das hat dazu geführt, dass beispielsweise die konservativen Strategiefonds von UBS oder CS im ersten Halbjahr -11 bis -13% verloren haben.

Unsere sehr vorsichtige Anlagepolitik hat sich 2019 und 2021 als verfrüht herausgestellt. Aktien-seitig lagen wir in diesen beiden Jahren performancemässig leicht im Hintertreffen (2020 hat sich daraus nicht viel ergeben), auf der Obligationenseite hat es im Nullzinsumfeld kaum einen Unter-schied gemacht. Alleine in diesem ersten Halbjahr hat sich das Blatt jedoch massiv gewendet. Die meisten unserer konservativen Depots liegen im ersten Halbjahr 2022 im Bereich von -2 bis -5%. Dieser Vorsprung bzw. viel geringere Verlust führt dazu, dass wir über mehrere Jahre meist komfortabel vor der Performance von Strategiefonds mit vergleichbaren Risikostrategien liegen, und dies bei deutlich tieferem Risiko.

EZB und Inflationsbekämpfung? Fehlanzeige

Wir haben die letzten Quartalsberichte schon mehrfach das Thema „Inflation und Geldpolitik“ diskutiert. Haben mittlerweile auch die Zentralbanken ihr eigentliches Kernaufgabengebiet wahrgenommen? Teils, teils… Die EZB fährt mit ihrer Strategie zusehends ‚an die Wand‘. Die Inflation beträgt im Euroraum mittlerweile mehr als 8%, doch die EZB konnte sich immer noch nicht zum Bekämpfen der Inflation bekennen. Sie verliert jegliche Glaubwürdigkeit als Zentralbank. Erst per Ende Juni sollen die Anleihekäufe wenigstens auslaufen und so keine weitere Liquidität in den Markt gedrängt werden und erst im Juli sollen die Zinsen um ein Minischrittchen von 0.25% erhöht werden. Zinsen um den Nullpunkt und Inflation bei 8%? Wo haben wir doch gleich bei Erdogan immer den Kopf geschüttelt? Richtig, bei seiner eigentümlichen Geldpolitik.

Die SNB erhöht ihren Leitzins auf -0.25%

Das inflationäre Umfeld in der Schweiz ist dazu im Vergleich schon fast angenehm. Zwar stieg die Inflation ebenfalls ungewohnt stark an, liegt aber mit knapp 3% doch deutlich tiefer. Im Vorfeld der geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB erwarteten denn auch die meisten Experten, dass die SNB nichts am Leitzins ändern und sich weiter hinter der EZB verstecken werde. Doch sie irrten. Die SNB entschied sich vor zwei Wochen, erstmals seit 15 Jahren ihren Leitzins zu erhöhen und dies gleich um 0.5%. Neu steht der SNB Leitzins damit bei -0.25%.

Gratulation an die SNB…

Der SNB gebührt für diesen Entscheid ein Lob. Sie hat sich aus dem gefährlichen Fahrwasser der EZB hinaus gewagt und versucht mit ihrem Entscheid, verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Sie hat sich dem riesigen Druck der hyperexpansiven „laissez-faire“-Geldpolitik der letzten Jahre endlich verweigert und aus unsere Sicht das Richtige getan.
Das geldpolitische Ziel der SNB lautet Preisstabilität, was sie mit einem Anstieg der Konsumentenpreise von weniger als 2% pro Jahr gleich setzt. Wie erwähnt stehen wir aktuell bei knapp 3% (Tendenz steigend), somit war es höchste Zeit zu reagieren. Die SNB konnte ausserdem das für sie im Moment einigermassen angenehme Devisenumfeld nutzen. Der USD ist derzeit recht stark bzw. der CHF nicht mehr allzu stark. Das gibt Luft für einen mit höheren Zinsen leicht ansteigenden CHF. Dies wiederum hilft gegen die so genannte ‚importierte Inflation‘.

… es bleiben ihr aber noch Herkules-Aufgaben

Die SNB dürfte mit ihren Massnahmen noch lange nicht fertig sein. Der Leitzins liegt immer noch im Minus. -0.25% vs. knapp 3% Inflation: auch die SNB ist noch meilenweit weg von einer restriktiven Geldpolitik.

Den noch längeren Weg hat die SNB allerdings bei einer anderen Pendenz vor sich. Die seit der Finanzkrise explodierte Bilanzsumme ist im Vergleich zur Wirtschaftsleistung so gross wie bei keiner anderen Zentralbank. Die Rückführung auf ein ‚vernünftiges Niveau‘ dürfte nicht so einfach und schnell zu bewerkstelligen sein. Aber auch hier gilt die Weisheit von Konfuzius: Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.

Ausblick

Nach jahrelanger hyperexpansiver Geldpolitik sind die Zentralbanker nun dazu gezwungen, etwas gegen die Inflation zu tun. Zinserhöhungen und/oder Rücknahme von Liquidität hilft gegen zu hohe Inflation, dämpft aber die Wirtschaft. FED Chef Powell und seine Pendants müssen somit wählen zwischen konsequentem Kampf gegen überbordende Inflation und dafür höherem Risiko einer Rezession einerseits oder moderiertem Wachstum bei weiterhin gefährlich hoher Inflation andererseits. Zumindest rhetorisch stehen die meisten Zentralbanker derzeit auf der ersten Seite. Wir sind nicht ganz so sicher, dass sie standhaft bleiben werden, falls die Aktienkurse weitere starke Verluste einfahren würden.

Anlageimplikationen

Wir halten es für verfrüht, das Aktienuntergewicht bereits vollständig abzubauen bzw. die Aktien auf eine neutrale Quote aufzustocken. Einzelne Ideen (einige günstige DAX-Werte oder auch Small&Mid Caps aus der Schweiz, … oder auch Aktien aus den Schwellenländern oder Goldminenfonds) scheinen aber mittlerweile attraktiv. Ebenfalls bei den Obligationen bauen wir das Untergewicht weiter ab, bleiben aber auch dort untergewichtet. Im Gegenzug halten wir immer noch ein Übergewicht an CHF Cash und auch die Beimischung von Gold, Platin oder anderen Rohstoffen als sinnvoll..

„Die meisten politisch Verantwortlichen sind verständlicherweise entschieden gegen die Inflation und entschieden für eine Politik, die sie erzeugt.“

 

– Warren Buffett, Mai 1977

 

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